Fünf Tage.

Fünf emotional vollkommen verschiedene Erfahrungen. Viel gelernt habe ich. In erste Linie über mich, aber auch über die Welt. Aber eins nach dem anderen. Mich hat heute ein spannender Typ namens Quote gefragt: „Warum willst du eigentlich aufhören zu rauchen?“ Und mir wurde klar, dass ich für diese Frage keine Pauschal-Antwort bereithielt, schließlich gibt es dafür natürlich eine Reihe von plausiblen Erklärungen, aber mit plausiblen Erklärungen von der Stange gab ich mich noch nie zufrieden. Also überlegte ich. Und ich machte es wie so oft. Ich sagte: „Es gibt drei Gründe“. Und während ich das sagte suchte ich in meinem Hirn nach drei schlüssigen und relevanten Gründen. Nichts wäre bescheuerter, als drei Gründe anzukündigen und dann nicht auch drei überzeugende Gründe zu nennen. Schließlich werde ich nicht gern als Mensch enttarnt, der Struktur über den Sinn stellt. Ich mache das leider tatsächlich öfter mal und in eigentlich komme ich damit immer durch. Es ist wie freestyle rappen: Während man dem ersten Reim fertig Raps wird im Kopf schon nach einem Wortgebilde gesucht, dass sich darauf reimt, um in Echtzeit die zweite Zeile mit ebendiesem Wort zu vollenden. Ganz schön anstrengend. Wer mich kennt sollte das nächste Mal, wenn ich auf eine Frage mit „Dazu fallen mir drei Punkte ein…“ antworte, mir sofort eine kleine Ohrfeige verpassen und lächeln. Denn, wie kann man jemanden böse sein, der lächelt, wenn er dir eine Ohrfeige gibt? In die Augen schauen, dabei. Ganz wichtig. Blöd nur, wenn mir dann wirklich drei Gründe einfallen. Zum Beispiel diese hier.

Drei Gründe. Plausibel und wahrhaft. Kein Scheiss, jetzt.

1. Weil ich ein gutes Vorbild für meinen Sohn sein will.

Ich hatte aufgehört zu rauchen, als er geboren wurde. Als er 3 war, trennten sich seine Mutter und ich und seit er 5 war hatte ich eine neue Freundin, die rauchte halt. Es gab den Rückfall und ich fing auch wieder an. Ich hatte meinem Jungen natürlich, wie jeder nichtrauchende Vater, über die Gefahren des Rauchens aufgeklärt. Und als ich dann selbst wieder rauchte, schämte ich mich, bei all dem was ich ihm übers Rauchen erzählt habe, trotzdem selbst wieder damit angefangen zu haben. Was für eine Botschaft wäre das für ihn gewesen? Einer Sache, die dich offensichtlich tötet, trotzdem freiwillig zu verfallen? Macht überhaupt keinen Sinn. Also log ich, wenn er den Rauch an mir roch und behauptete stets es seien andere um mich herum gewesen, die rauchten. Wenn keine andere Person in der Nähe war, behauptete ich, dass ich ein ungewaschenes Shirt trug, und ich am Vortag damit in irgendeiner Raucherkneipe gewesen sei. Also vollkommener Bullshit. Natürlich merken Kinder sowas und ich dachte mir, dass ich ja auch nicht will, dass er das Lügen als naturgegebenes Mittel zum Zweck versteht, dass wenn er selbst 13 Jahre alt ist und sich heimlich Zigaretten auf dem Sportplatz reinzieht, wie ich damals, ebenfalls irgendwelche Stories auftischt. Wie ich damals. Also entschied ich mich dazu, einfach ehrlich zu sein. Ich gab zu dass ich mit dem Rauchen wieder angefangen hatte. Und ich erklärte ihm, dass das zwar keinen Sinn ergab, aber die Verlockungen des Lebens nicht immer Sinn ergeben. Dass man auch mal schwach und irrational sein darf, auch wenn das nicht heisst, dass das immer gut und richtig ist. So ist das halt. So war dann der einzige Weg für mich, ein gutes Vorbild zu bleiben, auch ehrlich zu bleiben. Und den Teufelskreis rauchender Väter zu durchbrechen. Und das gelang halt nur, in dem ich einfach wahrhaftig mit dem Rauchen aufhörte. Ich wollte einfach nicht, dass er mich als rauchenden Vater in Erinnerung behielt. Er ist sieben und er wird sich selbstverständlich an alles erinnern, was jetzt und in der Zukunft geschieht und geschehen wird. Here I am.

2. Weil ich bald 40 bin.

Ich rauchte gut und gerne rund die Hälfte meiner Lebenszeit. Und wenn ich nicht jetzt aufhören würde, wäre die Anzahl Lebensjahre, die ich rauchte (und als Kind eines rauchenden Vaters fing das eigentlich noch viel früher an) deutlich in der Überzahl gegenüber meiner Zeit als Nichtraucher. 40 Jahre werden (okay, eigentlich werde ich bald gerade erst 39, habe also noch ein Bisschen Vorlauf) hat eine gewisse Wirkung auf mich. Das gebe ich zu. Nicht weil ich denke, mein Zenit überschritten zu haben. Ganz im Gegenteil, die allermeisten Dinge im Leben fallen mir jetzt wesentlich leichter, als vor 10 oder 20 Jahren. Mein gesamtes System war eigentlich nie zuvor in einer besseren Verfassung und eitel wie ich bin würde ich behaupten, ich hatte nie zuvor eine positivere Ausstrahlung. Aber es ist einfach ein Zeitpunkt an dem ich mich fragen sollte, für  welchen Weg ich mich entscheiden möchte. Möchte ich ein Typ sein, mit schlechten Zähnen und gepunkteter Faltenhaut ständig zum Arzt rennt, oder werde ich der Typ sein, der auch mit 50, 60 oder 70 noch den Marathon auf die Straße bringt? Ist klar, ne.

3. Weil ich den Berlin-Marathon in ein paar Wochen in einer guten Zeit laufen möchte.
Apropos Marathon. Dieses Jahr bin den ersten Halbmarathon meines Lebens gelaufen. Es war eine unglaublich befriedigende Erfahrung aber auch eine große Herausforderung an mein pumpendes Herz. Der Marathon ist eine andere Liga. Ich möchte das unter vier Stunden schaffen. Ist eigentlich kaum zu machen mit meinem „komplexen“ Lebensstil, aber ein Bisschen Ehrgeiz wird sicher nicht schaden.

So. Zurück zu diesen vier Tagen. (mit Heute: fünf)

Ganz ehrlich:

Ich habe mir das alles sehr, sehr viel leichter vorgestellt. Selbst jetzt, während ich diese Zeilen schreibe, spüre ich großes Verlangen danach mir eine Zigarette anzuzünden.

Und vollkommen sinnbefreit Rauch einzuatmen, der mich mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwann mal richtig fies krank macht. Mich gar töten kann. Der mich nicht berauscht. Der nichts macht, als meine Lungen, Arterien und mein Herz langsam mit Dreck zuzuschmieren. Und das freiwillig. Trotzdem. So schwach bin ich, dass ich stets mit dem Gedanken spiele mit Stil zu scheitern. Einfach zu rauchen, einzugestehen das ich schwach bin und sein darf. Und die Strafe in Kauf zu nehmen. Ich darf auch schwach sein. Das ist auch okay.

Danach dann trotzdem nicht weiter zu rauchen, sondern das Scheitern als Teil des Heilungsprozesses zu verstehen.

Ich dachte mir, dass wäre vielleicht sogar ein toller Stunt über den ich hier schreiben könnte, denn irgendwann wird das sarkastische Rumgepöbel der letzten Beiträge dieser „Monotransformation“ auch schnell langweilig.

Mein Freund Malte forderte mich heraus.

Er frage sich, so begann er, ob diese ganze öffentliche Begleitung dieses Prozesse nicht einen unglaublichen Druck aufbaue und dabei dann das öffentliche Scheitern kaum zu rechtfertigen sei. Als gäbe es dann einen Shitstorm. Ich sagte ihm, dass es eigentlich sogar eine interessante Wendung sei, denn gerade mit dem Scheitern, dem Schmerz, der Niederlage können sich hier und da sicher eine Menge Leute wesentlich mehr identifizieren, als mit dem Sonnenschein, der vorgibt, sein Leben stets im Griff zu haben. So gesehen, und das meine ich ernst,  habe ich überhaupt keine Angst davor, diese Wette zu verlieren. Da habe ich deutlich mehr Angst vor Zeichensetzungsfehlern. Vollkommen zu Recht, versteht sich.

So und jetzt verrate ich worum es eigentlich ging.

Der Wetteinsatz.

Malte und ich haben folgende Wette laufen:  Wer zu erst wieder Tabak raucht, muss nackt 10 KM mit dem Fahrrad durch Berlin fahren, nach einer Route und zu einer Uhrzeit, die der andere bestimmen kann.

Jetzt wisst ihr es.

Und als ich Malte also davon berichtete, dass ich das Verlieren eigentlich als eine interessante Wendung betrachtete weil ich nach wie vor überzeugt war, das ich den Nichtraucher-Status mehr will als er, beichtete er mir, das er gestern tatsächlich einmal an einer Zigarette zog. Ich fragte ihn dann, ob er denn überhaupt noch an der Fortführung unseres Experiments interessiert sei, und bereit, weiterzumachen. Zum Glück überzeugte er mich mit einem unmittelbaren „Ja. Na klar!“.

Die Frage, die sich stellt, ist nur: Hat er jetzt eigentlich schon verloren oder lass ich ihm das durchgehen? Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir euch, werte Leser, entscheiden lassen wollen. Also bitte, schreibt doch einen kleinen Kommentar und sagt uns, was ihr denkt.

Danke schonmal. Und bis morgen.