Bevor es hier losgeht mit dem üblichen State-Of-The-Art-Palaver zur Lage der Musikindustrie, hier meine generelle Meinung zu Musiklabels. Jeder, der glaubt, Labels seien überflüssig irrt ganz gewaltig und hat meistens keinen blassen Schimmer. Wer glaubt als Musiker kommt man auch ohne Label an sein Ziel (vom Musik machen Leben zu können), hat leider den Schuss nicht gehört. Der wird ihn wohl auch niemals hören. Es sei denn, man arbeitet im Schützenverein.

Man kann über Aufgabenspektrum und Geschäftsmodellen von Musiklabels diskutieren bis einem die Barthaare in den Kniekehlen kitzeln, doch kommen wir in einer Welt voller schlechtem Geschmack, übelriechendem Musikjournalismus und noch fieserer MySpace-Muckerei nicht ohne eine Filter-Institution aus, die dafür sorgt, das viel von dem Schrott, der sich Musik nennt, niemals den Weg in die populären Radioplaylisten, in die Sphären der Amazon/Last.FM/iTunes/PirateBay-Charts, kurz – in meine Ohren finden wird.

Das Label als Multimedia-Trendlaboratorium

Labels sorgen dafür, das Talente „vernünftig“ aufgebaut werden, damit diese mit ihrem Schaffen genug verdienen, um es zu entwickeln, um zu überleben. Im Prinzip sorgen sie für etwas, von dem jedes Kind mindestens einmal in seinem Leben träumt.  Das Artists groß rauskommen. Ein gutes Label weiß, was welche Menschen gerne hören und sehen, wo sie es gerne hören und sehen und wo sie wieviel bereit sind für das Hören und Sehen zu bezahlen, ohne dass ihnen Hören und Sehen vergeht. Sie wissen, welche Partnr (Medien, Marken, Sponsoren, Mäzen, Händler, Banken, Hersteller, Verbände, Verlage, etc.) zur Kunst ihrer Schützlinge passen und wie sich mit dieser Zusammenkunft neuer Wert erschaffen lassen.

Das Label als Milliardengeschäft

Ein Label passt nicht in das Format eines Online Labels, eines Blogs oder einer Tupperparty. Die Tage der  Tonträgerunternehmen sind auch noch lange nicht gezählt und wieso sollten sie jetzt auch aufhören Musik auf Plastik zu verkaufen, wenn sich damit noch Milliarden umsetzen lassen, auch wenn viele Klugscheißer im Netz gerne behaupten sie würden sich damit der Zukunft verschließen. Diese Leute sollten auch aufhören Auto zu fahren, denn wenn man es genau nimmt, wird die Erde auch nicht mehr lange mit Menschen und Bäumen durchs Universum gurken, wenn wir weiter nur an die Finanzkrise und nicht an den Planeten denken.Wenn wir also Autos kaufen und uns damit der Zukunft verschließen. Was solls. Irgendwann müssen wir alle dran glauben. Auch solche Institutionen wie  CD-Presswerke. Davon gab es auch mal mehr als heute.

Aufhören zu Jammern.

Aufhören zu Jammern kann natürlich schnell verwechselt werden mit Schönreden, deswegen ist es wichtig hier eine klare Trennlinie zu ziehen: „Schönreden“ ist, die Scheißnews aus der CD-Absatz-Statistik als „Wir-sind-auf-einem-guten-Weg“ zu verkaufen, „Aufhören zu Jammern“ heißt, die Realität zu akzeptieren, ohne die ganze Welt (Konsumenten, Medien, Internet, Politik, etc) dafür verantwortlich zu machen, dass der Verkauf von Musik auf silbernen Scheibchen langsam aber sicher ein Ende findet. Ich will jetzt nicht noch eine überflüssige Referenz zu 1987 herstellen, als Vinyl von der CD abgelöst wurde. Es war ein anderes Phänomen – ein von der Industrie (wie sie damals noch zurecht hieß) initiierter Paradigmenwechsel. Blöderweise hat man die Rechnung ohne die Herren Brandenburg und Mr. Fanning gemacht, welche heute, gefühlte 20 Jahre später, letztendlich ihren Triumph zelebrieren dürften, jetzt, wo endlich und real, in echt und in Farbe über all Musik als MP3 verkauft wird, ganz ohne Kopierschutz.

Was macht eigentlich Shawn Fannings heute? Na was wohl: Werbung!

Und Herr Brandenburg? Er gibt die Kohle aus, die er mit dem MP3-Format gescheffelt hat. Von wegen, MP3 ruiniert die Musikindustrie. Wenn wir Herrn Brandenburg und das Fraunhofer Institut zur Musikindustrie zählen würden und glaubt mir, das sollten wir tun, dann haben wir hier schonmal eine lupenreine Erfolgs-Story aus Deutschland. Und die hat weit mehr für unser Ansehen getan als Rammstein oder Tokio Hotel. CDs sind nicht alles, MP3s erst Recht nicht. Es ist eine Wahnsinnszeit für Musiker, Musikfans und Musikmanager mit völlig neuen Herausforderungen und einer unglaublichen Dynamik. Es gilt, eine ganze Ära abzustreifen und die Erfahrungen in den Dienst der Gegenwart zu stellen. Nur so lässt sich die Zukunft bewältigen. Klingt Sahne, James. Her mit den Amarenakirschen. Wo ist der Prosecco?

360° = Full Service für den Künstler und so.

Ein Label ist im besten Falle wesentlich mehr als ein „Record Label“, das seine Umsätze mit dem Vertrieb von CDs, Vinyl oder Downloads macht, weil es auf diese Weise die „Recording Rights“ auswerten kann. Denn wie wir wissen, geht hier die Ära der Recording Industry im Zeichen dieses Auswertungsmodells zu ende und die Ära der Recording Industry im Sinne der neuen Geschäftsmodelle beginnt. Ein Label ist übersetzt nichts als ein Aufkleber, der uns sagt was da drin ist in dem Produkt, auf dem er klebt. Das Label ist eine Marke, das Qualitätssiegel: Hier hat jemand ne Menge Geld und Arbeit investiert, um dieses Kunstwerk zu entfalten. Das ist mehr, als dafür zu sorgen, dass der Künstler ein schickes Studio hat, einen hippen Produzenten, ein schickes Cover für eine Veröffentlichung,  gleich welcher metaphysischen Kondition. Da geht es auch darum, Lizenzen zu verdealen, Support-Tourneeslots zu organisieren, Merchandisingrechte zu verhandeln, Videocliprechte zu vergeben und wenns besonders gut läuft, auch an dem Verkauf von Parfüm, Schmuck und Unterwäsche, die nach dem Künstler/der Kunst benannt ist, mitzuverdienen. Und weil es dann doch ein paar mehr Dinge sind, mit denen ein Label Geld verdient, hat der innovative Musikchecker von heute  das 360-Grad-Business erfunden. Dieses dicke Multichanneldings. Der frenetische Full-Blown-Surround-Ansatz. Man braucht halt die richtigen Leute, die richtigen Partner, die richtigen Revshares, damit es klappt. Und dann ist das Label der Nummer 1 Full Service Dienstleister für den Kunden: Den Künstler. Der Tanz ums goldene Hub. Managements verdienten schon immer  an allen Einnahmen des Künstlers mit und zusätzlich aufgebeeft mit A&R-Spezis, Konzertveranstalter, Marketing-Checker und Busines Development Hasi (gutaussehend, eloquent, Beraterbackground und trotzdem rocknroll) backt man sich halt in den neuen Zeiten das Musiklabel. Und am Ende nennt man das Ganze halt Universal Music.

Weil es noch Spaß macht.

Leider können sich nicht mehr viele leisten, ein Label zu betreiben. Wenn man genug Erfolg hat, wird der Künstler oder gleich das ganze Label von einem größeren Label übernommen (egal ob das was man dann Label nennt vorher Konzerttickets verkauft hat oder Limonade). Hat man nicht genug Erfolg, bleibt die Angelegenheit wohl ein Hobby und man endet selbst als Rädchen im System. Es gibt nicht viele, sowohl Künstler als auch Labelbetreiber, die trotz aller Widrigkeiten an ihrer Sache festhalten, und hoffentlich hoffentlich am Ende erfolgreich sein können, ohne im universal-en Kosmos aufzugehen wie das Stück Hefe in einer Laugenstange.