In den letzten Jahren habe ich mich viel mit sogenannten Mega-Trends beschäftigt. Solchen globalen Phänomene, welche die Menschheit als ganzes prägen. Mal abgesehen von den offensichtlichen Trends im Bereich der technologischen Innovation (“Conversion & Connectivity”), welche zum Beispiel die Themenkomplexe Robotik und vernetzte/intelligente Geräte (ja, zum Beispiel Smartphones, selbstfahrende Autos oder sprechende Kühlschränke) beinhaltet, fand ich die prognostizierten Entwicklungen auf gesellschaftlicher Ebene besonders interessant.
Zusammengefasst lässt sich folgendes feststellen:
In etwas mehr als 30 Jahren werden 70% der Menschheit in Megacities mit 10 oder mehr Millionen Einwohnern leben (Quelle: UN). Erstaunlich viele von uns werden mit Chips unter der Haut ausgestattet sein, weil es praktischer ist, unsere Existenz zu verwalten (für uns und für die Versicherungen) und bei der Anzahl an Menschen wird das auch notwendig sein. 2050 werden wir an der 10 Milliarden Marke kratzen und es ist besonders interessant zu erkennen, wo auf dem Planeten der Bevölkerungswachstum am stärksten ist. Schließlich ist der demografische Wandel zu Ungunsten der Menschheitsdichte in den “industrialisierten” Gegenden der Welt ein alter Hut und somit nicht mehr besonders interessant.
Das mit großem Abstand stärkste Wachstum wird in Afrika stattfinden, gefolgt vom Mittleren Osten. Also genau jenen Gegenden in der Welt, die auch heute schon mit den größten Herausforderungen zu kämpfen haben. Abgesehen von der niedrigen Lebenserwartung und des desaströsen Bildungsniveaus sind es die Gegenden in der Welt, die überdurchschnittlich viel von Armut und Hunger betroffen sind, und zu allem Unglück finden genau dort auch noch die schlimmsten gewaltsamen Konflikte ihre Bühne.
Vernetzte Tragik und wer die Kosten für unseren Wohlstand tatsächlich trägt
Schaut man genau hin, erkennt man die Zusammenhänge zwischen unserem Wohlstand und dem Leiden der Menschen in den Entwicklungsländern. An den Börsen der Finanzmetropolen wird auf den Preis von Grundnahrungsmitteln und Rohstoffen gewettet, was den realen Wert dieser Produkte von ihrem tatsächlcihen Wert auf den Finanzmärkten entkoppelt. Jüngst erfahren wir, dass die Regierung unseres geschätzten, christlich-friedlich-freiheitlich orientierten Deutschlands die Waffenexporte in Krisengebiete allein im letzten Halbjahr verdoppelt hat, was auch darauf zurückzuführen ist, dass durch die konstante und seit Ewigkeiten andauernde Manipulation der Wertschöpfungsketten in diesen Ländern verstärkt und leider nicht selten auch ganz bewusst zu Konflikten geführt hat, durch die sich zynischerweise mit Waffenlieferungen wieder ordentlich verdienen lässt.
So gesehen, ist es doch eigentlich mehr als angemessen, dass wir hier in unserem reichen und hochentwickelten Deutschland jeden Flüchtling aus diesen Krisengebieten aufnehmen, nicht nur, um sie in Füchtlingsheime zu stecken und darauf zu setzen, dass ihre Asylverfahren sowieso mit einer Abschiebung enden, sondern schlicht und ergreifend jedem Menschen, der aufgrund dieses kaputten, von uns kreierten Weltengleichgewichts in Armut vegetiert, ein würdevolles Leben zu ermöglichen.
Ein hoffnungsloses (und ziemlich jämmerliches) Aufbäumen der Unanständigen.
Bei diesen Überlegungen tun einem die armen Freitaler Bürgerinnen und Bürger, welche so eifrig gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in ihrem Dorf protestieren, fast schon Leid. Die wissen nichts von Wertschöpfungsketten und geraten wohl auch schon bei dem Versuch, auf einem Zebrastreifen die Straße zu überqueren, an ihre intellektuellen Grenzen.
Euch sei an dieser Stelle Mut gemacht:
Die Zukunft unserer aller Kinder ist ziemlich dunkel. Dunkel wie Zentral-Afrika. Die Kinder der Zukunft tragen Namen wie Alia, Fatih, Kyra und Abdou. Unsere Gesellschaft, ganz gleich in welchem Land, hat nur eine Chance überhaupt bis ins Jahr 2200 zu kommen, wenn wir aufhören uns auf den dicken Hintern zu setzen und beleidigt zu sein, dass verhungernde und verstörte, traumarisierte, und durch unser Handeln und durch unsere Konsumgewohnheiten benachteiligte Menschen, auch ein Bisschen Zukunft von uns abhaben wollen.
Daher lohnt es sich für die Fraktion der Freital-Pegida-Natonalisten also gar nicht, auf der Straße rumzulümmeln, rassistische Parolen zu brüllen und dabei komplett scheisse auszusehen, denn eins ist klar: Stahlblaue Augen sind so oder so dem evolutionären Untergang geweiht…
Die eigentlichen Baustellen.
Es gibt wesentlich größere Probleme, denen sich die Weltengesellschaft widmen sollte, zum Beispiel die Frage danach, wie wir um Himmels Willen, die mit ihrer perverse Gier nach Wachstum und Rendite aus den einflussreichsten Organisationen und Unternehmen des Planeten bekommen. Wie es uns gelingt, ausnahmsweise mal nach Vernunft zu handeln mit einer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung für alle Menschen und nicht nur für den kleinen Teil, dem es doch sowieso schon fantastisch geht.
Es ist ein Utopie zu glauben, dass irgendwann mal alle Menschen in so einem Wohlstand leben können, wie wir heute hier. Es ist eine Frage der Verteilung eines Kuchens – je mehr Kuchen auf der einen Seite, desto weniger auf der anderen. Genauso verhält es sich übrigens mit unserer Währung ebenfalls. Je mehr Euros wir hier horten, desto weniger Euros haben Länder wie Griechenland. Dass wir dann über den Weg der Steuern den Zaster zumindest teilweise wieder zurückschieben, das ganze noch als Kredite, die kein Land der Welt zurückzahlen kann, getarnt, ist als politische Botschaft in unsere verwöhnte Generation alles andere als populär und hilft stimmungstechnisch genau jenen neokonservativen Parteien, die im Grunde genommen für die Entstehung dieses ausbeuterischen Wirtschaftssystems mitverantwortlich sind.
Die Moral von der Geschicht’…
Vielleicht sollten wir mal unsere eigenen politischen Wahlgewohnheiten überprüfen. Vielleicht doch mal eine Autoladung von nicht mehr benötigten Produkten (Kleidung, Ausstattung, Geräte, etc) zu Menschen bringen, die dringend Hilfe brauchen. Vielleicht doch mal auf die Straße gehen, vielleicht doch mal den Mund aufmachen und sich nicht jeden populistischen Bullshit an Bushaltestellen, in Stammkneipen oder sozialen Netzwerken gefallen lassen. Vielleicht doch mal sein eigenes Konsumverhalten überdenken und mit weniger auskommen, denn daran sollten sich die verwöhnten, dicken, weissen Kinder in uns gewöhnen. Wir werden teilen müssen, irgendwann, ob wir wollen oder nicht. Dann doch lieber heute schon. Und mit Stil und Karma auf die richtigen Ideen setzen.
Hast du eine Meinung dazu? Wenn ja, welche?