Während sich die Weltgeschichte auf der Busspur selbst überholt, sitze ich in meiner Filterblase und runzle die Stirn. Ich starre auf diesen Screen und sammle die Buchstaben vom Boden der Unergründlichkeit auf, schmeisse sie in die Luft und besprühe sie durch die Flamme einer Pechfackel mit Strohrum. Partisanen in meinem Kopf operieren im Dunkeln und spucken wütend ihre schmutzigen Gedanken hinüber in die weissen Segel meiner rechten Gehirnhälfte.

Heute früh laufe ich durch die Sonne

und spüre wie ihre Strahlen sich auf die kühlen Schatten dieses Aprilmorgens werfen. Die Autos fahren über diese Brücke am Ostkreuz Berlins, davor tropfen Trauerweiden ihre Sprossen hinab auf den Grund. Der Wind treibt leise seine Kindergartenwellen über die Spree, während ein paar Vögel ihren ganz privaten Musikantenstadl abhalten, zur Feier ihrer Rückkehr in ihre Heimat, Berlin-Kreuzberg. Ja genau, denke ich, „das würde ich auch als erstes tun, käme ich zurück von einer Reise nach Kapverden.

Doch komme ich nicht zurück von einer Reise nach Kapverden, wird mir klar. Nein. Ich habe lediglich vergessen die Wäsche aufzuhängen.

Genauer gesagt, habe ich vergessen sie aus der Waschmaschine zu nehmen.

Seit 4 Tagen. Ich habe wieder an der ein oder anderen Zigarette gezogen. Habe das Bußgeld für die Autobahnraserei immer noch nicht gezahlt, schaffe heute wieder nicht, die Tomaten einzupflanzen und zu allem Überfluss ist der Hund verschwunden, mit dem ich die ganze Zeit unterwegs war. Samt Leine. Ich rufe seinen Namen, laufe hin und her. 2 Stunden lang. Aber er ist nicht mehr zu finden.

Ich kaufe mir Kaugummis mit Erdbeergeschmack

und reflektiere kurz, ob die Konsistenz des Produkts kohärent ist, mit der Verpackungsgestaltung. Zur selben Zeit entführen Terroristen einen jungen Fabrikarbeiter namens Karim M., 24 und hunderte seiner Kollegen im Westen Syriens. Ein paar Hundert Kilometer weiter westlich warten Nubila K, 21 und Jamal S., 17 mit Hunderten Familien ohne Väter in Tripolis auf die Abfahrt ihres Mittelmeertaxis. Um das Ticket in eine würdevolle Zukunft zu finanzieren wurde alles verkauft, wurden Dinge getan, über die man nie mehr spricht.

Syrien, Libyen – das „y“ wandert von Land zu Land ein Stück weiter nach vorne

denke ich. Gibt es noch ein Land in dem ein „y“ vorkommt? Schwyden? Ryssland? Italyen? Der Nordpol wandert auch, übrigens. Er kommt zu uns, nach Europa. Der Nordpol. Herzlich Willkommen in Europa.

In Panama wird das ganz große Geld an der Menschheit vorbeigeschleust, im Besitz von Politikern, Banken, Menschenhändler, alle in einem Boot, oder besser gesagt in der teuersten Yacht. Weiter nördlich bewirbt sich eine fleischgewordene Cartoon-Figur erfolgreich als Präsidentschaftskandidat. Ein kleiner Wald in der Nähe eines Hamburger Nobelviertels wird zum Schauplatz einer der peinlichsten Anti-Flüchtlingsaktionen in unserem Land, zu einer Zeit, in der einer Band wie Frei.Wild der angeblich renommierteste, deutsche Musikpreis verliehen wird. Holland stemmt sich gegen die Erweiterung der Euro-Zone, man ist gern unter sich, im freshen Zwirn und am sauberen Tisch.

Man ist gern unter sich, im freshen Zwirn und am sauberen Tisch.

Aber der Tisch ist nicht sauber. Auf dem Tisch kleben Nutella-Reste. Vom Mitternachtssandwich. Brotkrümel vom Sesamring. Butter. Das Messer voller Nougat. Das Glas mit dem Mangosaft halbvoll. Ja. Der Tisch ist völlig versaut. Wer ist diese Woche eigentlich mit putzen dran? Ich? Aber ich war doch vorletzte Woche schon. Ich frag Petra ob sie für mich putzt. Für einen veganen Kirschstreuselkuchen würde sie alles tun.