Wenn es für uns nicht mehr ums Überleben geht, wird die Sehnsucht nach Anerkennung, Status, Ansehen, Einfluss und Macht unstillbar, das wusste schon Maslow, als er die menschliche Bedürfnishierarchie erforschte. Die vielseitig wahrnehmbare, sportliche Leistungsfähigkeit des Alltagsathleten und seines Körpers, symbolisiert wie in den 90ern der Sportwagen den Status und Wert eines Mitglieds der härtesten Leistungsgesellschaft aller Zeiten.

Laufen Teil 2: Performance Laufen. Leistung für Gesellschaft.

Heute geht es ja nicht mehr nur noch darum, ein krasser Player im Job, in der Schule, auf der Uni zu sein. Schlechte Noten in der Schule sind wieder uncool. Der Druck einfach immer super zu sein hat sich auf das gesamte Lebensspektrum ausgeweitet. Da draussen sitzen sie, die vielen Mitmenschen, an ihren digitalen Konsolen und schauen sich die Welt an. Alles wird gelabelt, vermessen und gezählt, damit es dem immer währenden Wettbewerb des Super-Seins als Währung dienen kann.

Quantified Self.

Die Industrie hat sich darauf gestürzt und entwarf in dem wärmenden Dauerfeuer der Eitelkeiten einen gigantsichen Marktplatz. Tiefschlafstunden, verbrannte Kalorien, zurückgelegte Schritte, Körperfettanteil, und Herzfrequenz werden mit Apps und Geräten automatisch erfasst. Persönlichkeiten werden anhand der Nahrungsaufnahme bewertet. Wo früher höchstens zwischen Vegetarier und Fleischesser unterschieden wurde, gibt es heute einen Blumenstrauss an Ernährungsformaten, der so groß ist, das man damit alle Friedhöfe Friedrichshains mal für ein paar Monate aus ihrer traurigen Restexistenz befreien könnte.

Runtastisch.

Tja. Kaum eine Disziplin eignet sich besser, um die vom ultimativen Schwanzvergleich verzerrte Wirklichkeit der zivilisierten Gesellschaft besser zu veranschaulichen, als das Laufen.

Zeig mir denen Pace und ich sage dir, wer du bist.

Zwischen Pasta-Party, Steigerungslauf und Intervalltraining wird der Laufsport zum Status-Battle stilisiert. Er bildet den Nährboden für alle möglichen Formen des Wettbewerbs. Sie geben uns in den Routinen des Alltags die Gewissheit, dass sich doch noch irgendwas verändert. Das sich irgendwas zum guten entwickelt, und sei es auch nur die Anzahl Schritte pro Tag. Denn ohne diese kleinen Erfolge bliebe unser Sein eine Aneinderreihung von verpassten Möglichkeiten und Rechtfertigungen, die eigene Komfortzone nie verlassen zu haben.

Da hilft es, wenn man aus dem Nichts kommt, anfängt zu laufen und pro Kilometer siebeneinhalb Minuten braucht, irgendwann mal seinen Pace um 3 Minuten zu senken. Sicherlich nicht von heute auf morgen, aber irgendwann und wenn es soweit ist, dann darf es bitteschön auch jeder wissen.

Fixed for Life.

Und dann geht es erst richtig los. Der Performance-Run für Freizeit-Geeks. Eigentlich immer ein bisschen ekelig. Die Rangliste der krassesten Runner in deinem Freundeskreis auf deiner Running- App. Der ständige Battle mit allen Kontakten in der Running-Gruppe. Einmal drin, im System, und man will es wissen. Zumindest wenn man so geil drauf ist, der geilste zu sein. Und ja, ich stehe da Niemandem in irgendwas nach.

 

Enter The Competition.

 

  • Überlege dir zwei mal, ob du die Zusammenfassung deiner Läufe über deine Running-App mit deinen Freunden auf Facebook und Twitter teilen möchtest. Nein. Überlege es dir drei mal. Dein Wettbewerb ist vielleicht eine Running-Crew, ein Kumpel, dein Sportlehrer, deine Freundin oder einfach nur eine abgespaltene Persönlichkeit, mit Sicherhet aber nicht die Gesamtheit aller Kontakte in deinen sozialen Netzwerken.
  • Laufpläne sind super. Mit in Bisschen Recherche findest du echt brauchbare Vorbereitungsprogramme für Marathon & Co. auch kostenlos. Wer es sich leisten kann, kauft sich InApp-Käufe. Heul aber bitte nicht rum, wenn du den Plan dann nicht einhältst, es läuft halt nicht alles nach Plan. Das Leben ist meist am lustigsten, wenn deine Pläne scheitern. Das gilt manchmal sogar fürs Laufen.
  • Höre auf deinen Bauch deine Beine, deine Gelenke, deine Füße und deine Knie, denn egal wie wichtig dir das Erreichen und Übertreffen deiner Ziele wirklich ist, deine Gesundheit ist immer, ich wiederhole immer, wichtiger. Und das gilt eigentlich auch für Profis.
  • Wettbewerb macht nur Sinn oder gar Spaß, wenn man fit ist. Und wie man fit wird, lernst du von Freunden, die fit sind und für die es eine willkommene Anerkennung ihrer Fitness ist, wenn man sie fragt, ob sie dir helfen, fit zu werden. Es ist auch schlicht und einfach eine schöne Art und Weise, Zeit mit Freunden zu verbringen. Unterhaltungen beim Laufen sind immer einzigartig gut.
  • Dein Körper ist nicht nur zum Laufen da. Vergiss nicht auch ab und zu mal steil zu gehen und Karel Gott einen guten Mann sein zu lassen.
  • Es ist nicht minder spannend mit Freunden zusammen auf ne gute Zeit zu trainieren und nicht gegeneinander.
  • Vergiss niemals, dass es im Leben wichtigeres gibt als ne PB. Ein glückliches Kind vielleicht, am besten dein eigenes. Oder eines ohne Eltern, das es irgendwie nach Europa geschafft hat. Oder dass es einfach eine tolle Sache ist zu laufen und dass es eigentlich nur selten stimmt, was die im Fernsehen immer sagen, nämlich, dass es immer darauf ankommt der Beste zu sein.
  • Vergiss nicht, warum du mit dem Laufen angefangen hast, das waren sicher nicht PBs oder “der Geilste zu sein”. Da ging es um etwas puristisches. Verliere das nie.
  • Vergiss nie wo du herkommst. Das Leben ist zu kurz für arrogante, selbstverliebte Idioten, die denken, dass dich eine höhere Pace zu einem besseren Menschen macht. Ist nicht so. Bescheidenheit, Verständnis, Ehrlichkeit und Mitgefühl machen dich zu einem besseren Menschen. Was nicht heissen soll, dass es per se scheisse ist, auch mal der beste sein zu wollen.

In diesem Sinne. Viel Erfolg Freude!

Zurück zur Übersicht der Beitragsserie zum Thema Running.