Als ich noch ein Kind war erlebte ich es oft, dass Deutsche mich ansprachen wie man damals Ausländer häufig ansprach:

Du nix hier spielen vor Haus.

Sie dachten, dass ich es so wohl besser verstehen würde. Heute sprechen mich viele Deutsche auf Englisch an. Sie denken ich wäre wohl kein Deutscher. Mag dran liegen, dass ich damals in einem Vorortkaff von Wuppertal die Nachbarshinterhöfe unsicher machte und heute in Berlin lebe, aber gleich geblieben ist die Idee, dass einer, der so aussieht wie ich, wohl kein Deutscher sein kann.

Deutscher gehts kaum, oder?

Deutsch wie ein ganzer Eichenwald, hm?

Ich weiß, dass viele es nicht gerne hören, entweder weil sie ihrer Rasse verschrieben sind, oder weil sie aufgrund ihrer Geschichtssensibilität ihr Heimatland negieren.

Doch in der Tat bin ich froh ein Deutscher zu sein. Ich liebe dieses Land. Ich mag die Menschen hier, die allermeisten zumindest.

Ich hab hier schon einigen Fremdenhass zu spüren bekommen, doch meine Erfahrungen mit Menschen in Deutschland, egal ob im Ruhrpott, in der bayrischen Provinz oder im Ostberliner Prekariat waren eigentlich zu 99% positiv.

Es hat ein bisschen gedauert, doch heute weiß ich, das ich hierher gehöre.

Das das hier meine Heimat ist. Nicht nur, weil ich hier aufgewachsen bin, weil ich hier lernte, was das eigentlich für eine Freiheit ist, von der alle immer sprechen und für die es sich zu kämpfen lohnt. Weil es hier all die Möglichkeiten gibt, von denen immer alle schwärmen. Sondern, weil ich – wenn ich es mir noch mal aussuchen könnte – kein anderes Land aussuchen würde.

Natürlich gibt es die Tendenz in Deutschland, ja in ganz Europa, dass viele Menschen Angst davor haben, ihren Wohlstand teilen zu müssen. Sie wollen die Zuwanderung ärmerer Menschen verhindern und entscheiden sich gegen die Werte einer offenen Welt. Sie wollen das Asylrecht verschärfen oder Europa als Konzept gleich ganz abschaffen, um unter sich zu bleiben, reich, weiß und satt.

Die Korrelation zwischen Herkunft und Zugehörigkeit löst sich auf.

Zeitgleich erlebe ich jedoch den Anbruch einer Entwicklung in diesem Land, in der Leute wie ich mit Namen, die man am besten mit altdeutschen Vornamen buchstabiert (Heinrich, Anton, Doppel-Marta, Otto, Udo, Dora, Anton, Heinrich), nicht mehr nach ihrer Herkunft gefragt werden, weil es normal ist, dass Leute wie ich hier zuhause sind. Eine Entwicklung, in der Migranten glücklich sind mit ihrer Zugehörigkeit zu dem Volke der Deutschen, auch wenn wir eigentlich noch lieber Teil einer Weltengemeinschaft wären, die das Konzept von Nationen überwunden hat.

Und jedes mal, wenn ich die Straße des 17. Junis entlangfahre, am Brandenburger Tor, an der geheilten Distanz und ihrer verseuchten Geschichte vorbei, ist es so, als würde ich Hitler posthum einen Mittelfinger ins Gesicht halten. Und es fühlt sich gut an.